Brief aus dem
Journal des Luxus und der Moden
Herausgegeben von J.Bertuch und G.M.Kraus
14. Band, Jahrgang 1799; In Verlag des Industrie=Comptoirs; 1799; Weimar,
; pp. 150-155 und Tafel 9 Fig4.
Die Äolsharfe
von J.Bertuch
An Frau v.L**. in L*.
Sie wünschen die Äolsharfe näher kennen zu lernen, gnäd. Frau, und zu wissen, ob Sie sich das Vergnügen dieser Natur-Harmonie wohl in Ihrem schönen Landhause, durch die Einrichtung eines Zimmers dazu verschaffen können? Da Ihr Schloß hoch und Aeols-Respirationen ziemlich ausgesetzt liegt, so können Sie sich allerdings zuweilen ein Aeolsharfen-Concert geben; nur rathe ich Ihnen, es nicht in Ihrem Boudoir oder Wohnzimmer zu etabliren; denn es geht ein wenig stürmisch dabey zu.
Ich kann, um Sie mit der Aeolsharfe selbst, ihrer Behandlung und ihren Wirkungen vollständig bekannt zu machen, nichts Besseres thun, als Ihnen die Versuche und Bemerkungen des Hr. Doct. Quandt in Nietsky, über die Aeolsharfe, aus der Lausitzischen Monatsschrift, Novbr. 1795 auszuheben. Hier sind sie.
"Daß die Aeolsharfe ein Saiteninstrument ist, das dem Winde ausgesetzt, von sich selbst zu thönen anfängt, ist wohl den Meisten bekannt. Doch ist im Ganzen darüber weniger bekannt geworden, als das Instrument verdiente, und es ist von den blos praktischen Musikern, wenn sie ja Etwas davon gehört haben, vermuthlich als eine bloße Spielerey angesehen worden. Dies mag es allerdings für diejenigen seyn, die den ganzen Werth der Musik und ihre eigene Geschicklichkeit blos darinn setzen, schwere Passagen, sey es auf welchem Instrument es wolle, heraus zu bringen. Für den theoretischen Musiker ist dies Instrument von mehr Wichtigkeit, weil er hier Harmonie, die ihm in ihrer größten Einfachheit mehr gilt, als alle blos melodischen Künsteleyen und musikalische Kabriolen, ohne Zuthun der Kunst in ihrer größten Reinheit entstehen hört. In dem Göttingischen Taschenkalender von 1792 steht S.137 ein schöner Aufsatz über dies Instrument von Hrn. Hofrath Lichtenberg, das Instrument wird hier nach der Englischen Angabe des Hrn. Jones beschrieben.
"Zu meinen Versuchen fand ich aber das simplere Instrument, welches Pat. Kircher in seiner Phonurgia S.148 beschreibt (der wohl für den Erfinder dieses Instruments gehalten werden kann) bequemer und auch wirksamer. Das Engl. Instrument ist zusammengesetzter, und tönt doch nicht frey im Winde, sondern bedarf ebenfalls eines duch eine Fensteröffnung beschränkten Luftzuges. Das her setzte ich die Seiten des Instruments direkt dem durchs Fenster kommenden Zuge aus und verfuhr folgendermaaßen mit dem besten Erfolge. Einem Kasten von trockenem Fichtenholz 3:4 Schuhe lang 7 Zoll breit, 5 tief, (Taf.9.Fig. 4.) gab ich eine Resonanzdecke von dünnem Tannenholz; spannte auf dieselben 8 Darmsaiten von der Dicke der A Saite auf der Geige, über 2 am schmalen Ende des Kastens befindliche niedrige aber scharfe Stege, und stimmte die Saiten im Einklang (unisono). Die hintere Seite des Kastens ließ ich offen und unbedeckt, indem ich fand, daß hierdurch der Anspruch erleichtert und der Ton lauter wurde. Dies simple Instrument (Hr. von Meyer in Görlitz stellte nachher ebenfalls mit einem auf diese Art eingerichteten Instrumente Versuche an, die sehr befriedigend ausfielen, wobey die seltenste Erscheinung diese war, daß sich bey schwachem Winde öfters die tiefere Oktave des Grundtons, in welchem das Instrument gestimmt war, vernehmlich hören ließ) stellte ich nun der Länge nach senkrecht auf die Fensterbank, die Saitenoberfläche schräg dem 11/2:2 Zoll geöfneten Flügel eines Fensters ohne Fensterkreuz, das der Windseite zulag, zugekehrt, so daß der Wind ungefähr unter einem Winkel von 140:150 Grad auf die Saiten stieß, und beförderte den Zug durch Öffnung der Stubenthüre. So wie der Wind sich erhob, entstanden entzückende Töne. Bald war es der Ton der Orgel, bald der einer Harmonika, bald der Geige, Flöte, bald entfernter Gesänge, bald Harpeggio der Harfe. Das allmählige stete Anwachsen des Windes verursachte das schönste oft minutenlang immer schwellende Crescendo. Das Decrescendo folgte meist schneller. Der schwächre Wind erregt meist den Grundton; der stärkere Quinte und Octave, auch große Terzie, also den vollen Dreyklang, so rein als ihn kein menschlich Gehör auf einem andern musikalischen Instrumente abstimmen wird. Oft entsteht die kleine Septime, und wenn der Wind stark wächst, so entsteht meist in der 3.ten Oktave vom Grundtone der Saiten an gerechnet, eine Skala von Tönen, wie sie auf dem Horne oder der Trompete folgen, wenn man diese Instrumente bläst, ohne sie zu temperiren.Ich hatte zum Grundton das kleine Baß C gewählt, erhielt also das Gaukelspiel in der zweymal gestrichenen C Oktave. Wollte man die Saiten der Aeolsharfe im Dreyklang stimmen, so würde man meist Dissonanzen hören, so bald die Saiten in ihrem Grundton verwandte Töne hören lassen. Z.B. von der Terzie e klänge die Quinte h und von der Quinte g dessen Quinte d mit. Also klänge d h e zusammen. Ist der Wind ungestüm, und trifft stoßweise so dämpft er den Ton eben so schnell als er ihn erregt hat. Die Saite überwirft sich sich auch wohl und es entsteht ein ein schnell vorüberschwindendes Harpeggio, das oft angenehm genug ist. Bey forte wachsendem Winde (am besten gelang es mir immer bey Ost= oder Nordwinde) erhält der Ton oft eine solche Stärke, daß das Instrument schüttert, und eine darauf gelegter Körper z.B. ein Schlüssel, anfängt zu schwirren, das ganze Haus tönt, so daß man die Musik 20:30 Schritte weit ins Feld hinein hört. Oft dämpfte ich alle Saiten bis auf eine, und erhielt dann aus derselben mehrere Töne zugleich; wie auch Hr. Jones und wenn ich nicht irre, Pat. Kircher schon bemerkt hat. Oktave, große Terzie und kleine Septime mit dem Grundton ließen sich am meisten zu gleicher Zeit hören. Der Satz also: daß eine gespannte Saite, die erschüttert wird, nur einen bestimmten Ton zu Einer Zeit hören läßt, ist nicht allgemein wahr, wie in dern Lehrbüchern der Physik angenommen wird."
"Zu beliebigem musikalischen Vortrage dürfte dieses Instrument freylich schwer zu brauchen seyn, man müßte denn, während der Wind darauf wirkt, mit den Fingern wie auf dem Griffbrete der Geige moduliren, welches sich aber aus vielen Ursachen wohl schwer würde thun lassen. Durch Rückung des Stegs läßt sich allenfalls hier etwas ausrichten. Es ist aber oft schon schwer das Instrument auf seine eigenthümliche Weise in Bewegung zu setzen. Einer der gewissesten Plätze ist an der Küchenthüre, wo meist ein starker Zug nach dem Herde dringt, oder an einem Kamine."
Eine Idee, die sich hierbey leicht aufdringt, durch künstlichen Wind das Instrument tönend zu machen, oder überhaupt Saiten zu blasen, wie Hr. Hofrath Lichtenberg zu versuchen vorschlägt, verfolgte ich bey der Gelegenheit durch Versuche und fand so viel: durch eine gehörige Vorrichtung mit Blasbälgen (die aber nicht klein seyn dürfen) und einer Windlade, erhielt ich aus einer Saite das nämliche, was durch den Zugwind erfolgte; aber die ganze Saitenfläche zu erschüttern war der Wind nicht stark genug. Die hierzu nöthige stät anhaltende nicht heftige aber breite Luftströmung durch künstlichen Wind hervorzubringen, würde eine Volumen der Blasbälge erfordert, das mit der Kleinen Aeolsharfe in sehr ungleichem Verhältniß stehen würde. Auch würde wohl durch künstliche Vorrichtung ein großer Theil des originellen Reizes dieses luftigen Tonspiels verschwinden."
Hier haben Sie also, gnäd. Frau, den vollständigsten Unterricht auf der und über die Aeolsharfe, den ich Ihnen geben kann. Das hierbey (Taf.9. Fig.4.) abgebildete Instrument selbst, können Sie sich leicht von jedem geschickten Schreiner von leichten Tannenbretern machen lassen, oder auch schon fertig bey dem Instrumentmacher Hr. Bindernagel in Gotha für 1 Laubenthlr. bekommen. Ich dächte in der Grotte der Abentheuer an der hinteren Wendeltreppe, in Ihrem reizenden Englischen Garten, würde sie am besten anzubringen seyn, und den romantischen Effect dieser schauerlich schönen Parthie gar sehr erheben
Bertuch.
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