Transcription from
Allgemeine Musikalische
Zeitung.
Breitkopf und Härtel, Leipzig; 3/ October 1798; (Intelligenzblatt
zur Allgemeinen Musikalischen Zeitung); pp.39-44
(Article on the biography of Johann Jakob Schnell, instrument maker and his
masterpiece, a metal-stringed keyboard instrument like a piano, BUT with
pneumatic principle/ sound generation like the Aeolian Harp)
Nachricht von dem Schnellschen Animo-Corde
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Die Mechanik musikalischer Instrumente stand von jeher mit der ausübendenTonkunst selbst in wesentlicher Verbindung und die Fortchritte zur Erweiterung oder größeren Vollkommenheit, die man im Gebiete der ersten machte, boten der letztern gleichsam schwesterlich die Hand, mit ihr gleichen Schritt zu halten. Ein Dulon würde auch bey dem angestrengtesten Fleiße niemals den einzelnen stumpfen Tönen seines Instruments jene durchdringende Schärfe haben geben können, wenn nicht der alte Mechanism durch den Versuch, mehrere mit Klappen versehene Ton-Oeffnungen anzubringen, zum größten Vortheil des Flöten-Instruments verbessert worden wäre, und derjenige , der zuerst auf den Gedanken kam, die Tonreihe auf dem Klavichord in das. Gebiet der dreygestrichenen Octave hineinzuführen und; in der Tiefe desselben die Contratöne beyzufügen, welchen weiteren Spielraum eröffnete er dadurch der, Phantasie des Tonsetzers und des Spielers!
Wenn nun gleichsam blose Nebenerfindungen so wichtige Resultate für die Kunst selbst erzeugt haben: so verdient eine Haupterfindung um so mehr unsere Aufmerksamkeit, weil sie nicht selten den Keim zu andern wichtigen Entdeckungen enthält, dem Forschungsgeiste des Künstlers neuen Stoff zum Nachdenken giebt, und durch das. Charakteristische ihrer Wirkung eine eigene Art von Vergnügen hervorbringt.
Ich mache mir es daher zur angenehmsten Pflicht, dem Publikum in der Person des Herrn Johann Jakob Schnell einen Mann bekannt zu machen, der nicht nur der Erfinder eines ganz neuen musikalischen Kunstwerks: sondern überhaupt als ein Mann allgemeine Achtung und Aufmerksmkeit verdient, dessen mechanisches Genie auch in Verfertigung gewöhnlicher Flügelinstrumente unverkennbar ist.
Er wurde zu Vaihingen an der Enz im Wirtembergischen im Jahre 1740 gebohren und von seinem Vater der Tischlerprofession gewidmet. Nach überstandener Lehrzeit und nachdem er noch bey einigen Meistern seiner Zeit kurze Zeit in Arbeit gestanden hatte, kam er 1762 zu. dm Orgelbauer Gessinger in Rothenburg an der Tauber. Dieses neue Feld das sich ihm hier öffnete, hatte für ihn einen so starken Reiz, daß er sich keinen Augenblick bedachte, vom Handwerke zur Kunst überzugehen. Er legte sich nun mit allem Fleiße auf den Instrumenten- und Orgelbau, arbeitete auch bey andern vorzüglichen Meistern, und kam endlich zu van Dilken in Holland, in dessen Künstlerwerkstätte er sechs volle Jahre zugebracht hatte.
Mit einem Reichthume von erworbenen Kunstkenntnissen und bekannt mit dem ganzen Umfange seines. mechanischen Faches wanderte er im Jahre 1777 nach Paris. Müde, sein Brod in der Welt fernerhin durch Gesellenlohn zu erwerben und im vollen Bewußtseyn selbst als Meister seiner Kunst mit Ruhme auftreten zu können, fieng er nun an, für sich selbst zu arbeiten und Flügel-Instrumente von verschiedener Form zu verfertigen. Diese fanden auch durch ihren vorzüglichen innern Werth so vielen Beyfall, daß er sich in kurzer Zeit; genöthiget sahe, acht Ghülfen anzunehmen, um die Bestellungen, die bey ihm gemacht wurden, befriedigen zu können. Er suchte nun um das Recht an, Bürger und Meister zu werden, und erhielt nicht nur dieses; sondern wurde sogar königlicher Hofinstrumentenmacher bey der Gemahlin des Grafen von Artois. Als solcher verfertigte er viele Flügel-Instrumente theils für die königliche Familie, theils für andere Privatpersones in und ausserhalb Paris, bis er auf den Gedanken gerieth, durch eine eigen neue Erfindung seinem Künstlerruhm ein bleibendes Denkmal zu setzen. So wie ein vom Baume gefallener Apfel die erste Idee zur Erfindung des Gesetzes der Schwerkraft gab: so bekam Herr Schnell durch eine Harfe, die er zufälligerweise an der freyen Luft hängen hatte, die erste Veranlassung, ein Instrument mit Metallsaiten zu verfertigen, deren Tongebung blos Wirkung der Pnevmatik seyn sollte.
Ungeachtet ihm nun seine erlangten Einsichten in den Orgelbau die Realisirung seiner Idee sehr erleichterten: so brachte er nach seiner Versicherung mit seinen acht Mitarbeitern dennoch über vier Jahre zu, bis er das Animo-Corde in derjenigern Vollkommenheit zu Stande brachte, in welcher es itzt noch ist.
Dieß geschahe im Jahre 1789. Was die äußere Form desselben betrifft, so wird man sich aus der sehr pünktlichen Zeichnung desselben, die wir diesen Blättern beyfügen, eine ziemlich deutliche Vorstellung davon machen können. Seine Länge beträgt 7 Fuß, die Höhe 4½, und das Fußgestell 2 Fuß nach dem französischen Maasstabe. So einfach das Aeußere desselben ist, so kostbar ist es, indem alles an demselben, selbst die Bank nicht ausgenommen, beynahe auf eine verschwenderische Art von Mahagonyholz gearbeitet ist. Die untere Tastatur, die fünf Octaven im Umfange hat, ist von Elfenbein, die obere aber von Ebenholz.
Dieses Instrument ist durchgehends dreychörigt bezogen und die Saiten der obern drey Octaven sind mit Seide übersponnen. Dieses Umstandes ungeachtet kann man solches als ein gewöhnliches Flügel - Instrument gebrauchen; nur daß seine Wirkung viel schwächer ist; als bey einem bekielten Flügel. Was die innere mechanische Einrichtung betrifft, davon kann ich nichts melden; weil sie bis itzt ein Geheimniß für den Erfinder ist. Nur so viel ist mir davon bekannt, daß es in seinen Eingeweiden über 300 Pfund Messing enthält, die sehr wahrscheinlich zu den Windkanälen gebraucht wurden, die wie bey einer Orgel mit zwey Blasbälgen, die nach Belieben entweder in den Körper des Instrumentes selbst oder in ein Seitenzimmer gesetzt werden können, in genauester Communication stehen. Sind nun die Bälge aufgezogen, so öffnen sich durch das Niederdrücken der Tasten die Ventile, die von einer besondern Struktur sind: Der Wind dringt dann in einer nach physischen Principien genau berechneten Stärke an die Saiten, bringt sie in Vibration und erzeugt dann eine so schmelzende Intonation derselben, die sich nur fühlen, aber nicht beschreiben läßt.
Die im Pedal angebrachten beyden Fußtritte sind dazu geeignet, um die Ventile nur nach und nach zu öffnen, und dadurch die Täuschung zu bewirken, als ob die Harmonie aus einiger Entfernung sich näherte. Durch die Registerzüge; die unter der Claviatur angebracht sind, kann man die Töne in das crescendo oder diminuendo bringen. Zum Charakterischen dieses Instruments gehört auch noch dieses, daß es, so wie die Harmonika, nur einen langsamen Vortrag, vorzüglich aber den gebundenen Styl verträgt und zur Begleitung einer Singstimme jedem andern Instrumente den Vorzug streitig macht.
Aus dieser fragmentarischen Beschreibung wird man sich es leicht erklären können, daß diese in.ihrer Art ganz eigene Erfindung in einer Stadt, wie Paris, wo der Zusammenfluß von Tonkünstlern und Gelehrten so groß war, Aufsehen erregen mußte. Aus allen Sectionen strömten Menschen herbey, um das Animo-Corde zu sehen und zu hören. Ein Beaumarchais wurde dadurch so entzückt, daß er, der nur eine halbe Stunde bey demselben verweilen wollte, erst nach vier Stunden wie aus einem Traume erwachte und dann erst bemerkte; daß er sein Mittagsmahl darüber vergessen hatte. Auch die Akademie der Künste und Wissenschaften schickten auf Ansuchen des Herrn Schnell einige aus ihrer Mitte ab; um dieses Instrument zu untersuchen,·die ihm auch die ehrenvollsten Zeugnisse darüber ausstellten.
Durch eine gewisse Bois de la Motte, die unsern Künstler ihres Besuchs würdigte, ward auch Madame Dorselle, damalige Gouvernantin des Dauphin, aufmerksam darauf gemacht, durch welche es dann auch die Königin erfahren hatte. Diese ließ den Künstler ersuchen; dieses Instrument so lange für sie aufzuheben, bis die Angelegenheiten des Staates eine für das königliche Haus günstigere Wendung wierderum würden genommen haben, unter dem mehr als königlichen Versprechen, daß er für sein Instrument 100,000 Livr. und noch eine besondere Gratification von 50,000 Livr. erhalten sollte.
Wer war nun froher, als Schnell, sich für seine Künstlerfleiß mit so goldnen Früchten belohnt zu sehen. Aber die Revolution wurde mit jedem Tag furchtbarer und die Hoffnung zu seinem schon nahe vermeinten Glücke stets entfernter. Ein englischer Lord meldete sich indessen als Käufer unter der sehr glänzenden Bedingung, daß er den Herrn Erfinder mit seinem Instrumente kostenfrey nach London bringen und ihm die Erlaubnis ertheilen wollte, solches vier Wochen lang daselbst ums Geld sehen zu lassen, verbürgte ihm die wöchentliche Einnahme mit 1000 Guineen, unter der Versicherung, daß er ihm das Residuum jedesmal aus seinen eigenen Mitteln ersetzten wollte. Dann aber müsse er sein Instrument für 18000 Liv. ihm überlassen.
Schnell schwankte zwischen beyden Anerbietungen: Aber sein einmal gegebenes Wort und das Einflüstern mehrerer bedeutenden Personen, daß der stolze Empörungsgeist ehestens wieder zu den Füßen des Throns werde kriechen müssen, bestimmten ihn für die erste. Der Lord kehrte in sein Vaterland zurück, und drey Tage nachher erfolgte die Flucht der königlichen Familie nach Varennes.
Mit dem tiefsten Gefühl der Wehmuth sahe nun Herr Schnell die Früchte seiner vieljährigen Arbeit und seine schönste Hoffnung zertrümmert. Der Jakobinism hob mit jedem Tage sein freches Haupt mehr empor, sein Instrument stand nun verwaist, die Gesellen mußten sich von ihrem Meister trennen und sein ganzes Gewerb gerieth ins Stocken.
Schnell sahe sich selbst außer Stand gesetzt, seinen Beruf abzuwarten: Weil er in seiner Section täglich Militärdienste thun mußte. Ja noch mehr: er hatte, wie bereits bemerkt worden, den Charakter eines königlichen Hof-Instrumentenmachers, und das war Stoff genug, um ihn als ein Opfer des Terrorism in die Concergerie zu bringen. Und nur der raschen Entschlossenheit seiner Gattin hatte er es zu verdanken, daß nicht sein Kopf neben dem seines Freundes Edelmanns fiel, und daß er ihr und ihren drey unmündigen Kindern erhalten wurde. Er sehnte sich nun nach seinem Vaterlande zurück, und unter dem Vorwande, das Animo-Corde in Basel zu verkaufen und mit der gelösten Summe einen Transithandel von Stahl und Kupfer aus Deutschland nach Frankreich anzufangen, erhielt er endlich nach mühsamen dreyvierteljährigen Versuchen einen Reisepaß, und kam im Winter 1795 in Ludwigsburg an. Hier nun hält er sich noch itzt auf, und sollte sich ein etwanniger Liebhaber zu dem Animo-Corde finden, der kann nun auf die angebotene Summe von 6000 Gulden mit ihm in nähere Unterhandlung sich einlassen.
Was seine gewöhnlichen Klavier-Instrumente betrifft, deren Verfertigung er in seinem Vaterlande fortsetzt, so zeichnen sich dieselben durch Eleganz im Aeußerlichen, durch Dauer in der Mechanik und durch einen schönen gleichen Ton aus. Kleinere Fortepianos, oder sogenannte Pantalons liefert er für 100 Rthlr. bis 16 Louisdor; die größeren aber in Steins Manier kosten 200 bis 300 Gulden, je nachdem derjenige, der ihn mit Aufträgen beehrt, mehr oder weniger Luxus im Aeußerlichen Aufwande fordert. Und wie sehr wäre dieses einem Manne zu wünschen, der, nachdem er schon so viele Jahre mit Ruhme in seinem Fache gearbeitet hat, nun seine Künstlerlaufbahn gleichsam von vorne wieder anfangen muß!
Christmann
(Hierbey die Abbildung des Animo Corde auf der Beylage Tab. I.) |
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P.S.: Do you know
further Literature
or "sources" of other aeolian
instruments??
Do you know people building such instruments?
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